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BETRIEB + §§§ 55
Halter darf keine Vogelspinne anschaffen
Das Verwaltungsgericht Gelsenkirchen hatte sich mit der Haltung gefährlicher Tiere zu befassen. Der terra- ristisch erfahrene Kläger beabsichtigte, sich ein Paar Ornamentvogelspinnen (Poecilotheria metallica) anzu- schaffen, was aber nach dem nordrhein-westfälischen Gifttiergesetz verboten und sogar eine Straftat ist. Die zuständige Behörde teilte ihm mit, dies sei nicht genehmigungsfähig.
Der Kläger erhob sodann Feststellungsklage mit dem Ziel gerichtlich feststellen zu lassen, dass er zur Haltung der Tiere berechtigt sei. Hiermit scheiterte er jedoch vor dem Verwaltungsgericht. Das Gericht ging zwar davon aus, dass die Klage zulässig sei; der Kläger begehre die Feststellung eines konkreten Rechtsverhältnisses. Aller- dings wurde die Klage als unbegründet abgewiesen. Das Verbot der Haltung gefährlicher Tiere sei eindeutig und umfassend geregelt, und die gesetzlichen Ausnahmen − Haltungserlaubnis für Zoos und andere Einrichtungen sowie für Altbestände − seien nicht einschlägig.
Der Rechtsstreit sei auch nicht unter verfassungs- rechtlichen Bedenken auszusetzen. Das würde bedeu- ten: Nach Artikel 100 des Grundgesetzes muss ein Gericht, wenn es ein entscheidungserhebliches Gesetz – zum Beispiel wegen der Verletzung von Eigentumsrechten oder des Rechts auf allgemeinen Handlungsfreiheit – für verfassungswidrig hält, den Rechtsstreit aussetzen und die entscheidenden Rechtsfragen dem Bundes- verfassungsgericht oder – bei Verletzung der Landes- verfassung – dem zuständigen Landesverfassungs- gericht vorlegen. Dies wurde hier aber nicht als notwendig erachtet: Das Gericht ging nicht davon aus, dass das nordrhein-westfälische Gefahrtiergesetz ver- fassungswidrig sein könnte. Die allgemeine Handlungs- freiheit des Artikel 2 des Grundgesetzes sei dadurch zwar eingeschränkt; dies sei aber hinsichtlich des Schutzgutes „Vermeidung von Gefahren für die Allge- meinheit“ hinzunehmen. Gerade durch den Biss von Vogelspinnen könnten erhebliche Gesundheitsschäden für den Menschen ausgehen. Auch die Tatsache, dass andere Bundesländer die Gattung nicht mehr als gefähr- lich auflisten, sei nicht geeignet, eine andere Entschei- dung herbeizuführen.
Auch wenn die Zahl von Beißvorfällen durch Vogel- spinnen verschwindend gering sei, sei es nicht abwegig, durch Erlass einer entsprechenden gesetzlichen Rege- lung vorbeugend tätig zu werden. Das vorbeugende Haltungsverbot für die im Gesetz aufgeführten Arten sei
zur vorbeugenden Gefahrenabwehr geeignet. Die Gefahr sei auch größer als beispielsweise bei Hunden. Diese seien nämlich im Gegensatz zu Spinnen durchaus erziehbar, und Spinnen ließen sich nach einem Ausbruch kaum noch lokalisieren, sodass die Gefahr bestehen bleibe.
Im Übrigen sei das Verbot der Neuhaltung – also im Gegensatz zu Altbeständen – gefährlicher Tierarten auch erforderlich. Mildere Mittel, beispielsweise strikte Kontrollen der Haltungen auf Sicherheit und Kontrollen der Halter auf Sachkunde und Zuverlässigkeit, seien nicht ersichtlich. Das vollständige Verbot von Neuhal- tungen sei auch nicht unverhältnismäßig. Zwar sei damit ein starker Eingriff in die Handlungsfreiheit gegeben, das öffentliche Interesse an der Gefahrenabwehr wiege aber schwerer.
Ebenso wenig könne der Kläger sich auf Artikel 5 des Grundgesetzes und die Wissenschaftsfreiheit berufen. Auch wenn der Kläger sich hierauf berufen könne, so könne man sich nicht unter Bezugnahme auf die Wissen- schaftsfreiheit über das Recht der Mitbürger auf Leben und Gesundheit hinwegsetzen. Einen Anspruch auf Fest- stellung, dass er die fraglichen Tiere halten dürfe, habe der Kläger daher nicht. Aktenzeichen 16 K 2862/21
Dietrich Rössel, Königstein
zza. 7-8/2024